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Misophonie - die "Geräusch-Intoleranz"


Was ist Misophonie?


Die wörtliche Bedeutung des Begriffs Misophonie legt nahe, dass es sich hierbei um einen „Hass auf Geräusche“ handelt. Seit der Erstbeschreibung dieses Phänomens durch Jastreboff und Jastreboff (2001) hat sich das wissenschaftliche Verständnis jedoch weiterentwickelt und ist heute ein aktives Forschungsfeld, das sich allerdings noch in den Kinderschuhen befindet. Eine offizielle Diagnose nach ICD-10 ist aktuell nicht in Sicht.

Ein aktueller Konsens definiert die Misophonie als verringerte Toleranz gegenüber bestimmten Geräuschen oder mit diesen Geräuschen assoziierten Reizen (Swedo et al., 2022). Die Gesamtheit der als unangenehm oder belastend erlebten Geräusche bzw. Reize wird als Trigger bezeichnet. Trigger lösen starke negative Gefühle (meist Ärger, Ekel oder Angst) sowie eine unspezifische physiologische Erregung aus (muskuläre Anspannung, erhöhter Herzschlag und Schwitzen). Sie sind meist sich wiederholende und oft, wenn auch nicht immer, von Menschen produzierte, natürliche Geräusche (am häufigsten Kau-/Essgeräusche, Schluckgeräusche, Trinkgeräusche, Husten, Räuspern und Schniefen). Wird ein solcher Trigger von einer betroffenen Person wahrgenommen, fällt es dieser schwer den Aufmerksamkeitsfokus auf andere Umgebungsreize zu lenken. In Zukunft wird versucht das Auftreten dieser Reize zu antizipieren und entsprechend „gefährliche" Situationen zu vermeiden bzw. schnellstmöglich zu verlassen. Nicht selten werden die als unangenehm erlebten Reize bzw. die sie verursachenden Menschen auch nachgeahmt. Die mit dieser Störung einhergehenden Beeinträchtigungen können weitreichend sein und das gesamte private sowie berufliche Leben betreffen.


Die Gründe für diese Problematik sind weitestgehend unbekannt. Vermutet wird, letztlich wie bei allen psychischen Störungen, ein komplexes Zusammenspiel biologischer sowie psychologischer Faktoren bei der Entstehung und Aufrechterhaltung.



Wie erhalten Betroffene Hilfe?


Die bisherigen Untersuchungsergebnisse deuten darauf hin, dass die Kognitive Verhaltenstherapie (KVT) die effektivste psychotherapeutische Behandlung für Menschen mit Misophonie darstellt.


Auf der Suche nach wirksamen Behandlungsstrategien wurde u.a. die bei Tic-Störungen (die bekannteste ist das Tourette-Syndrom) zur Anwendung kommende Technik der Gegenkonditionierung untersucht (Mattson et al., 2023). Diese Technik zielt darauf ab die als unangenehm erlebten Trigger gleichzeitig mit positiv erlebten Geräuschen (z.B. Musik) darzubieten und dabei Entspannungsübungen durchzuführen. Durch mehrmalige Wiederholung können die zunächst als belastend erlebten Trigger eine neue, mit der psychischen und physischen Stressreaktion inkompatible, Bedeutung gewinnen. Einige Untersuchungen konnten auch einen positiven Effekt der Expositionsbehandlung (Konfrontation mit vermiedenen Reizen) sowie der Tinnitus-Retraining-Therapie (Jastreboff & Jastreboff, 2023) feststellen. Auch akzeptanzbasierte Behandlungsansätze können zu einer Besserung der Symptomatik führen.


Sollten Sie von den oben beschriebenen Symptomen betroffen sein, dann lassen Sie sich von einem Psychotherapeuten (am besten ausgebildet im Richtlinienverfahren Verhaltenstherapie) hinsichtlich sinnvoller Behandlungsansätze beraten.


Literatur


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